Patientenverfügung für Senioren: Wegweiser für Ärzte und Pflegekräfte
Wenn Menschen nach einem Unfall oder schwerer Krankheit ihren eigenen Willen hinsichtlich der weiteren Behandlung nicht äußern können, ist die Patientenverfügung ein Kompass, anhand dessen sich die Weiterbehandlung oder die Beendigung der medizinischen Maßnahmen ausrichtet.
Das Wichtigste im Überblick
- Alle volljährigen Personen dürfen eine Patientenverfügung erstellen.
- Senioren wird zur Erstellung einer solchen Verfügung ausdrücklich geraten.
- Eine Patientenverfügung bedarf der Schriftform, ist aber auch online möglich.
- Inhaltlich sollten Situationen, in denen Behandlungen zugestimmt wird oder nicht, sowie Ort und Dauer der Behandlungen aufgeführt werden.
- Das Widerrufen ist jederzeit ohne Angaben von Gründen möglich.
- Die eigenhändige Erstellung ist kostenfrei, Notarkosten und Archivierungskosten kommen hinzu.
- Die Aufbewahrung kann beim Bevollmächtigten, Notar, Hausarzt veranlasst werden. Die Ablage in den eigenen Unterlagen ist zu empfehlen.
Der Patient behält dank einer Patientenverfügung die Verantwortung für sein eigenes Leben und darüber, ob er medizinischen Behandlungsmaßnahmen im Einzelfall zustimmt oder diese ablehnt.
Für wen ist eine Patientenverfügung sinnvoll?
Eine Patientenverfügung kann von jeder volljährigen Person erstellt werden. Es gibt keine allgemeine Altersempfehlung für das Verfassen einer Patientenverfügung. Sofern bereits eine schwerwiegende degenerative Krankheit vorliegt, familiäre Vorerkrankungen bekannt sind oder genetische Veranlagungen es notwendig machen, Vorsorge zu treffen, ist die Patientenverfügung ein empfehlenswerter Bestandteil dieser Prävention.
Einer Umfrage des Deutschen Ärzteblattes aus dem Jahr 2014 zufolge, planen 40 % der Befragten, eine solche Verfügung abzuschließen. Etwa 2/3 der Bevölkerung besitzt keine Patientenverfügung. Zu dieser Personengruppe zählen mehrheitlich jüngere Menschen. Nicht einmal 50 % der unter 60-Jährigen hat eine solche Verfügung. Viele von Ihnen beabsichtigen aber, eine Patientenverfügung zu verfassen. Mehr als 50 % der Menschen aus der Altersgruppe 60+ Generation besitzen laut dem Statistischen Bundesamt eine Patientenverfügung, Tendenz steigend.
Was sind die Vorteile einer Patientenverfügung für Senioren?
Sie befähigt Entscheidungsträger dazu, den Willen des Seniors aufzuzeigen und durchzusetzen, wenn dieser nicht mehr dazu in der Lage ist. Damit wird dem Patienten das Recht auf die individuelle Selbstbestimmung auch dann erhalten, wenn er selbst nicht mehr Partei dafür ergreifen kann. Denn die Patientenverfügung tritt im Ernstfall als Vorsorgeinstrument in Kraft. Das Dokument kann formlos erstellt werden, muss jedoch zwingend schriftlich erfolgen und ist jederzeit ohne die Angaben von Gründen widerrufbar.
Was sind die Nachteile einer Patientenverfügung?
Laut der Umfrage der Bundesärztekammer sind circa 9 von 10 Patientenverfügungen ungültig. Die drei Hauptgründe dafür sind:
1. Zu allgemeine Formulierungen zum Allgemeinzustand
Damit sich die Verfügung sich nicht zum Nachteil des Patienten auswirken kann, sollte sie gut durchdacht sein. Zudem ist es grundsätzlich empfehlenswert sich über die eigenen Lebensvorstellungen im Klaren zu werden. Will ich länger leben? Will ich von meinen Leiden erlöst werden?
Je konkreter die Situationen beschrieben werden, in denen eine medizinische Behandlung durchgeführt werden soll, oder eben nicht, desto besser ist die Handlungsgrundlage für die Ärzte und Pflegekräfte im Ernstfall. Etwa kann das der Fall sein, wenn eine beginnende Demenzerkrankung diagnostiziert wurde und speziell für das Endstadium entschieden werden soll, ob eine künstliche Ernährung durchgeführt werden soll. Oder bei einem möglichen Koma nach einem Unfall kann es für die Patienten wichtig werden, schon vorher festzulegen, wie lange die lebenserhaltenden Maßnahmen fortgeführt werden sollen.
2. Widersprüchliche Formulierungen
Nicht selten ist eine Patientenverfügung Auslegungssache und damit Streitpunkt, wenn sich darin enthaltene Formulierungen hinsichtlich Situation oder Zusage zu Behandlungen widersprechen. Etwa, kann das der Fall sein, wenn zwar der künstlichen Beatmung zugestimmt, insgesamt lebenserhaltende Maßnahmen jedoch abgelehnt werden. Darum ist es empfehlenswert, bei der Erstellung einer Patientenverfügung medizinische Fragen gemeinsam mit dem eigenen Hausarzt oder Fachärzten zu besprechen. Damit wird vermieden, dass sich widersprechende Formulierungen und Begriffe überhaupt in die Verfügung Einzug nehmen.
3. Versuchte Anwendung von widerrufenen Patientenverfügungen
Das Leben nimmt oft unerwartete Wege und das kann auch zu einer veränderten Wahrnehmung der eigenen Wünsche bei der Behandlung im Ernstfall führen. Darum ist es unerlässlich, die eigene Verfügung hin und wieder auf die eigenen Vorstellungen hin zu prüfen, damit sie zum aktuellen Leben passt.
Eine Patientenverfügung kann jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Damit werden die darin festgelegten Anweisungen und die Verfügung als Ganzes ungültig. Damit die handlungsfähigen Personen nach dem Willen des Patienten handeln können, muss dieses Dokument immer aktualisiert den entsprechenden Zielgruppen zugänglich sein.
Wo sollte man eine Patientenverfügung aufbewahren?
Damit Anweisungen umgesetzt werden können, muss sie so verwahrt werden, dass die handelnden Personen Einsicht erhalten können. Dafür müssen zumindest die Bevollmächtigten als Entscheidungsträger die Verfügung besitzen. Zudem ist es empfehlenswert, die Patientenverfügung beim Hausarzt zu hinterlegen, sodass dieser sie aushändigen kann. Die Bundesnotarkammer kann zwar die Patientenverfügung nicht aufbewahren, jedoch registriert sie auf Wunsch im System, dass für eine Person eine solche Verfügung vorhanden ist.
Die Betreuungsgerichte in Deutschland haben Zugriff auf dieses Register. Damit wird sichergestellt, dass das Gericht nicht voreilig handelt. Wenn die Patientenverfügung nicht registriert wurde, muss das verantwortliche Betreuungsgericht mangels Faktenlage annehmen, dass es keine bevollmächtigte Person gibt, die Entscheidungen im Sinne des Patienten trifft. In dieser Situation wird ein gerichtlicher Betreuer bestellt.
Was sollte in einer Patientenverfügung drinstehen?
In der Patientenverfügung sollte herausgestellt werden, für wen sie gilt. Darüber hinaus sind Situationen zu konkretisieren, in denen Behandlungsmaßnahmen durchgeführt oder abgelehnt werden. Dies kann ein Unfall, Koma oder degenerative Krankheiten wie Alzheimer sein. Im nächsten Schritt gilt es, den möglichen Behandlungsoptionen zuzustimmen oder diese abzulehnen. Zu den Behandlungsoptionen gehören Lebenserhaltende Maßnahmen wie Wiederbelebung, Schmerz- und Symptombehandlung, Dialyse, Bluttransfusionen, Gabe von Antibiotika, künstliche Ernährung und Beatmung. Ungültig wird eine Patientenverfügung ebenfalls, wenn darin festgeschrieben wurde, dass eine aktive Sterbehilfe oder noch konkreter die Tötung des Patienten erwünscht ist.
Auch ob die Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen soll, ist ein empfehlenswerter Bestandteil einer jeden Patientenverfügung. Die Situation und die absehbaren medizinischen Behandlungsmaßnahmen sollten so konkret wie möglich bestimmt werden. Deshalb ist es auch unerlässlich, den Ort festzulegen, an welchem die Maßnahmen durchgeführt werden sollen, wenn gewünscht. Wenn Patienten sich wünschen, im Krankenhaus, im Hospiz oder im eigenen Zuhause zu sterben, ist das für die handelnden Ärzte und Pflegekräfte genauso wichtig zu wissen, wie für die bevollmächtigen Personen oder gerichtlichen Betreuer.
Um die Versorgungssituation komplett darzustellen, sollte, sofern vorhanden, auf weitere Versorgungsvollmachten, wie der Generalvollmacht oder die Betreuungsvollmacht in der Patientenverfügung hingewiesen werden.
Ist der Patient hirntot, die Organe aber weiterhin funktionsfähig und transplantierbar, so sollte in der Patientenverfügung aufgeführt werden, ob der Organspende zugestimmt wird. Sofern einzelne Organe von der Spende ausgenommen werden sollen, ist es ratsam, das ebenfalls in der Patientenverfügung aufzuführen.
Wie viel kostet eine Patientenverfügung?
Die eigenhändige Erstellung Verfügung ist kostenlos. Die notarielle Beglaubigung und Registrierung bei der Bundesnotarkammer kostet Geld. Wenn eine zentrale Archivierung und Sicherung der Patientenverfügung in Betracht gezogen wird, so fallen für diesen Service ebenfalls Nutzungs- und Laufzeitgebühren an.
Was passiert, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?
Ist der Wille des Patienten nicht vorab niedergeschrieben worden und kein Bevollmächtigter für den Fall bestimmt worden, wenn sich der Patient nicht mehr selbst äußern kann, so wägen die Vertreter gemeinsam mit dem Arzt ab, was im Sinne des Patienten wäre. Das Risiko für den Patienten zeigt sich hierbei in zwei Extremen: Entweder werden nicht alle lebenserhaltenden Maßnahmen umgesetzt, die den Patienten retten könnten, oder die medizinischen Behandlungsoptionen werden derartig überzogen, dass damit das Leiden des Patienten in die Länge gezogen wird.
Liegt keine Patientenverfügung vor, so ist das Betreuungsgericht in der Verantwortung für den Patienten die notwendigen Entscheidungen in seinem Sinne zu treffen. Dafür bestellt das Gericht einen gesetzlichen Betreuer, der sich um die Angelegenheiten der Gesundheitsversorgung kümmert.